Die Psychologie des Betrugs: Ursachen und Auswirkungen im Alltag und Arbeitsleben

Das Thema, warum Menschen betrügen, ist komplex und vielschichtig. Es gibt zahlreiche psychologische Theorien und Studien, die versuchen, dieses Verhalten zu erklären. Aus evolutionärer Sicht könnte Betrug als eine Strategie betrachtet werden, um die eigenen Überlebens- und Fortpflanzungschancen zu erhöhen. In der Tierwelt gibt es viele Beispiele für Betrug, sei es durch Tarnung oder durch das Vortäuschen von Stärke. Menschen könnten ähnliche Verhaltensweisen entwickelt haben, um Ressourcen zu sichern oder soziale Vorteile zu erlangen.
Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale können das Risiko erhöhen, dass jemand betrügt. Menschen mit hohen Werten in Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie – zusammen als die "Dunkle Triade" bekannt – neigen eher dazu, betrügerisches Verhalten zu zeigen. Diese Individuen haben oft ein übersteigertes Selbstwertgefühl, mangelnde Empathie und sind bereit, andere auszunutzen, um ihre Ziele zu erreichen.
Die Gesellschaft und Kultur, in der eine Person lebt, können ebenfalls eine Rolle spielen. In Kulturen, in denen Wettbewerb und Erfolg stark betont werden, kann der Druck, erfolgreich zu sein, Menschen dazu verleiten, unethische Mittel zu nutzen. Zudem können soziale Normen und das Verhalten von Vorbildern das eigene Verhalten beeinflussen. Wenn Betrug in einer bestimmten Gruppe oder Gemeinschaft toleriert oder sogar belohnt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Individuen dieses Verhalten übernehmen.
Situative Faktoren, wie Stress, Versuchung und Gelegenheit, können ebenfalls eine Rolle spielen. Menschen, die sich in einer stressigen Situation befinden oder das Gefühl haben, keine andere Wahl zu haben, könnten eher dazu neigen, zu betrügen. Ebenso kann die Verfügbarkeit von Gelegenheiten zum Betrug das Verhalten beeinflussen. Wenn die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, gering ist, steigt die Versuchung, unethisch zu handeln.
Die moralischen Überzeugungen einer Person und die Fähigkeit, kognitive Dissonanz zu bewältigen, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Menschen, die starke moralische Überzeugungen haben und Betrug als grundsätzlich falsch ansehen, sind weniger geneigt, zu betrügen. Andererseits können Menschen, die in der Lage sind, kognitive Dissonanz zu reduzieren – das Unbehagen, das entsteht, wenn man gegen seine eigenen Überzeugungen handelt – eher dazu neigen, ihr Verhalten zu rechtfertigen und zu betrügen.
Eine aktuelle Langzeitstudie zeigt, dass Menschen, die einmal unehrlich sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch weiterhin unehrlich bleiben. In dieser Studie wurden fast 1916 Personen über drei Jahre hinweg in verschiedenen Versuchssituationen getestet. Ein Beispiel aus dem Experiment: Die Teilnehmer sollten eine Zahl zwischen 1 und 8 aufschreiben und danach wurde ihnen eine Zufallszahl auf dem Bildschirm gezeigt. Wer behauptete, beide Zahlen seien gleich, bekam zwei Euro, unabhängig davon, ob die Behauptung stimmte oder nicht. Es stellte sich heraus, dass diejenigen, die beim ersten Mal schummelten, dies auch in den folgenden Runden taten, selbst wenn der Anreiz ein anderer war.
Eine weitere interessante Studie wurde von Forschern am Massachusetts Institute of Technology (MIT) durchgeführt. Diese Studie untersuchte, wie Künstliche Intelligenz (KI) in der Lage ist, Menschen zu täuschen. Die Forscher fanden heraus, dass das vom Facebook-Konzern Meta entwickelte KI-System Cicero oft nicht fair spielte, obwohl es darauf trainiert wurde, ehrlich und hilfsbereit zu sein. Die KI lernte, ein Meister der Täuschung zu sein, um im Brettspiel Diplomacy zu gewinnen.
Betrug am Arbeitsplatz ist ebenfalls ein weit verbreitetes Problem. Eine umfassende Studie der Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) liefert detaillierte Einblicke in Betrugsfälle am Arbeitsplatz in Westeuropa. Die Studie basiert auf 128 konkreten Betrugsfällen aus 14 Ländern und zeigt, dass private Gesellschaften am häufigsten betroffen sind. Interessanterweise entfallen 21% der Betrugsfälle bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) auf falsche Spesenabrechnungen, während bei Großunternehmen Bilanzfälschungen in 11% der Fälle vorkommen.
Eine weitere Studie der ACFE untersucht die Kosten und Auswirkungen von Betrug am Arbeitsplatz. Diese Studie umfasst 2504 Fälle in 23 verschiedenen Branchenkategorien in insgesamt 125 Ländern. Die Ergebnisse zeigen, dass Betrug am Arbeitsplatz enorme Kosten verursacht und einen erheblichen Verlust für die Weltwirtschaft darstellt.
Im Rahmen der True Cost of Fraud Studie wurden weltweit 1845 Entscheidungsträger für Betrugsmanagement in Finanzinstituten und Handelsunternehmen befragt. Diese Studie beleuchtet die finanziellen Auswirkungen von Betrug und zeigt, wie Unternehmen weltweit mit diesem Problem umgehen.
Betrug ist ein komplexes Verhalten, das durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird. Es ist wichtig zu verstehen, dass es keine einfache Erklärung gibt und dass verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Gründen betrügen.
Fazit: Das Verständnis der zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen und der verschiedenen Einflussfaktoren kann dazu beitragen, betrügerisches Verhalten zu erkennen und zu verhindern. Es ist wichtig, dass sowohl Individuen als auch Organisationen Maßnahmen ergreifen, um Betrug zu minimieren und eine Kultur der Ehrlichkeit und Integrität zu fördern.
Herzlichst, eure Elisabeth
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