Runenflüstern – Brief 3: Die Thurisaz Rune

Manche Runen kommen wie ein leiser Wind, andere wie eine warme Umarmung.
Und dann gibt es Runen wie Thurisaz – sie sind da, wenn das Leben einen Zwischenruf schickt.
Vielleicht fühlst du dich gerade müde. Oder genervt. Vielleicht spürst du, dass etwas nicht mehr passt, aber du kannst es noch nicht benennen.
Dann ist dieser Brief für dich.
Thurisaz ist die Rune, die dich nicht streichelt – sondern dich erinnert:
Du darfst dich schützen. Du darfst klar sein. Du darfst Nein sagen.
Ohne Schuld. Ohne Erklärung. Nur, weil du es wert bist.
Thurisaz ist eine Schwellenhüterin.
Sie steht da, wo du dich entscheidest, ob du wirklich weitergehst.
Sie fragt nicht höflich. Sie prüft.
Bist du wach?
Bist du bereit?
Bist du verbunden mit deiner eigenen Kraft – oder lässt du dich gerade treiben?
Diese Rune wird oft missverstanden – als „negativ“, „gefährlich“ oder „aggressiv“. Und ja: Thurisaz kann wehtun.
Nicht, weil sie dir schaden will – sondern weil sie zeigt, was du vielleicht nicht sehen willst.
Die Stelle, an der du dich zu oft anpasst.
Die Menschen, die über deine Grenzen gehen – oder du über deine eigenen.
Die Energie, die du verlierst, weil du es allen recht machen willst.
Thurisaz ist unbequem – aber sie ist deine Wahrheit in klarer Form.
In der nordischen Mythologie ist sie verbunden mit den Riesenkräften – Urkräfte des Chaos, des Schattens, aber auch des Wandels.
Sie ist nicht kontrollierbar. Aber sie kann dir zeigen, wo du Kontrolle verloren hast – über dich selbst.
Sie ist nicht aggressiv.
Sie ist radikal ehrlich.
Und in einer Welt, in der so viele lächeln, obwohl sie innerlich schreien, ist Thurisaz eine Notwendigkeit.
Nicht als Mauer – sondern als Tor.
Du kommst zu mir, Thurisaz, nicht leise.
Du bist nicht wie Fehu, die zarte Fülle. Nicht wie Uruz, die ruhige Stärke.
Du bist ein Rucken in meinem System.
Ein deutliches „So nicht.“
Und ich spüre dich sofort. In meinem Bauch. In meinem Nacken.
Überall dort, wo ich mich klein gemacht habe, um dazuzugehören.
Du bleibst stehen. In der Tür.
Und du schaust mich an.
Nicht streng. Nicht wütend.
Aber mit einer Klarheit, die keine Ausflüchte zulässt.
Ich fühle in deinem Blick all die Momente, in denen ich geschwiegen habe – obwohl mein Innerstes laut war.
Ich erinnere mich an Situationen, in denen ich „Ja“ gesagt habe, obwohl mein ganzes Wesen „Nein“ geflüstert hat.
Und du, alte Rune, flüsterst nicht.
Du forderst auf.
Nicht zur Konfrontation – sondern zur Entscheidung.
„Wirst du dich selbst schützen?“
„Oder dich weiter verschenken?“
Ich spüre, wie unbequem das ist.
Denn ein klares Nein bedeutet manchmal, jemanden zu enttäuschen.
Nicht mehr mitzumachen.
Aufzustehen, wo andere sitzen bleiben.
Aber du erinnerst mich:
Ein echtes Ja zu mir selbst beginnt immer mit einem gesunden Nein.
Du trägst Dornen, Thurisaz.
Nicht, um zu verletzen – sondern um zu bewahren.
Was ich bin.
Was mir heilig ist.
Was ich nicht mehr übergehen will.
Ich danke dir nicht aus Leichtigkeit.
Ich danke dir aus Tiefe.
Weil du mich wieder an meinen inneren Schutz erinnerst.
An das Recht, mich nicht zu erklären.
An die Kraft, ganz bei mir zu bleiben.
Und während ich dich ansehe, begreife ich:
Du bist nicht mein Feind.
Du bist meine Grenze mit Rückgrat.
Und mein Tor in ein aufrichtigeres Leben.
Kleines Thurisaz-Ritual für Schutz & innere Klarheit
Dieses Ritual hilft dir, deine Energie zurückzuholen – besonders dann, wenn du dich ausgelaugt, überrannt oder innerlich „durchlässig“ fühlst.
Finde einen ruhigen Ort, an dem du aufrecht stehen kannst.
Stelle deine Füße fest auf den Boden, schließe die Augen und atme tief durch.
Spüre den Boden unter dir – und deine Mitte.
Dann stelle dir vor, wie sich um dich herum ein kraftvoller, klarer Kreis aus Licht bildet.
Er ist durchlässig für Liebe – aber schützend gegen alles, was nicht zu dir gehört.
Du musst dich nicht abschotten.
Aber du darfst dich abgrenzen.
Sprich innerlich oder laut:
„Ich bin hier. Ich bin ganz. Ich schütze, was mir heilig ist.“
Spüre, wie dein Körper reagiert.
Wo zieht es sich zusammen? Wo wird es weit?
Lass die Rune Thurisaz innerlich in dir aufleuchten – als Zeichen, das sagt: „Bis hierhin. Und nicht weiter.“
Du darfst nein sagen, ohne laut zu werden.
Du darfst still sein, ohne dich zu verlieren.
Wenn du magst, schreibe danach auf:
Was ist meine Grenze – und was hält mich davon ab, sie zu setzen?
Thurisaz erinnert dich:
Du bist nicht egoistisch, wenn du dich schützt.
Du bist nicht schwierig, wenn du klar bist.
Du bist nicht hart, wenn du Rückgrat hast.
Du bist ehrlich.
Und das ist selten.
Und kostbar.
Und wunderschön.
Von Herzen
Eure Runa
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